Erfolgsgeschichte im Glaspalast
11. April 2024 | EHINGER TAGBLATT | Von Martin Tröster
Mit der Gründung vor zehn Jahren wurde der einstigen Schlecker-Zentrale in Ehingen wieder Leben eingehaucht. Nicht alle Träume erfüllten sich, doch die meisten Büros sind heute vermietet.
Es hat sich gerechnet, es war ein gutes Geschäft.“ So bilanziert Michael Gaßner seine eigene finanzielle Beteiligung am Ehinger Business Park, dessen Geschäftsführer der 70-Jährige, der bei Ludwigsburg lebt, seit den Gründungstagen ist. Diese sind noch gar nicht so lange her – und doch kann der Business Park in diesem Monat auf zehn Jahre zurückblicken. Oder, um es einmal anders zu formulieren: Auch zwölf Jahre nach der gigantischen Schlecker-Pleite, deren Schockwellen durch ganz Europa zitterten und deren Epizentrum in Ehingen war, ist der schimmernde Büro-Palast an den wässrigen Wiesen der
Schmiech-Mündung noch zu etwas nutze. Und wie. Inzwischen haben Ingenieure, Physiotherapeuten, die Arbeitsagentur, die Stadtverwaltung und sogar ein Wanderschäfer hier Büroräume angemietet.
Keiner braucht soviel Bürofläche
Michael Gaßner macht das sehr gut. Er istunglaublich vernetzt, und das hilft der Region.
Jost Grimm, Vorstand Donau-Iller-Bank
Ein solcher Erfolg war nach der Schlecker-Insolvenz alles andere als absehbar. Wer in Ehingen und Umgebung, bitte, hätte Bedarf für einen „Glaskasten“, wie der Bau mehr oder weniger liebevoll in Ehingen auch genannt wird? Wer braucht schon deutlich mehr als 20 000 Quadratmeter an Bürofläche? Hier jedenfalls niemand. Hätte der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz auch nach Jahren keinen Käufer gefunden, wäre das Gebäude irgendwann an der Stadt hängen geblieben. Und 600 000 Euro Leerstandskosten pro Jahr sind kein Pappenstiel.
Oberbürgermeister Alexander Baumann handelte und rief den Unternehmensberater Michael Gaßner an, der Ehingen so gar nicht auf dem Schirm hatte. Mit einem Freund aus seiner Zeit im baden-württembergischen Staatsministerium – Gaßner hatte unter anderem im Finanzministerium gearbeitet – wollte er eigentlich Städte mit mehr als 30 000 Einwohnernberaten.
Der OB übernimmt die Initiative
Und so war es Baumann, der die Initiative ergriffen hatte. Der Ehinger OB machte offenbar Eindruck bei Gaßner. „Insbesondere die Rolle von OB Baumann war entscheidend“, sagt der Berater heute zur Gründungsphase des Business Parks. „Er war offen für neue Ideen und für eine unternehmerische Perspektive.“ Baumanns Einsatz in dieser Sache fand Beachtung über die Stadtgrenze hinaus – und wird auch noch heute, zehn Jahre später, aus den Reihen des Gemeinderats gelobt. Und so war damals bei der entscheidenden Abstimmung auch die Mehrheit im Gemeinderat der Sache gegenüber aufgeschlossen, als es darum ging, dass die Stadt das Gebäude aus der Insolvenzkasse kauft, um Büroräume zu vermieten. „Am Ende der Sitzung waren es fast alle“, sagt Gaßner. Der nämlich hatte in der Sitzung angekündigt, sich selbst mit zehn Prozent beteiligen zu wollen. „Da waren die Bedenken endgültig weg.“
Diese zehn Prozent an der BED BusinessPark Ehingen Donau GmbH hat er mittlerweile an die Donau-Iller-Bank verkauft, die vor drei Jahren mit 39 Prozent der Anteile eingestiegen ist. Die Bank übernahm damals die Geschäftsanteile, die bislang die FAKT Marketing GmbH aus Essen besaß. „Ich bin im Oktober 70 geworden. Die wollen sich natürlich nicht mit meinen Erben rumstreiten“, sagt Gaßner schmunzelnd. Bankvorstand Jost Grimm sagt, man habe sich lediglich eine Option in den Vertrag schreiben lassen, die man schließlich gezogen habe. Zu Gaßner sagt Bankvorstand Grimm: „Er macht das sehr gut. Er ist unglaublich vernetzt,und das hilft der Region.“ Den größten Teil an der Business-Park-GmbH hält mit 51 Prozentnoch immer die Stadt Ehingen.
Neuer Name war wichtig
„Business Park“: Ein neuer Name war wichtig. Bloß weg von Schlecker. Gaßner und andere Beteiligte meiden diesen Begriff wie der Teufel das Weihwasser. Gaßner selbst drückt sich visionärer aus: „Man muss einfach eine Perspektive entwickeln, und wenn man zu lange an einer Geschichte festhängt, entsteht diese Perspektive nicht“, sagt er.
Noch heute werden der ehemalige Konzernchef Anton Schlecker und seine Frau Christa regelmäßig am Gebäude in der Talstraße gesehen, wie es auf den Fluren des Business Parks heißt. Eine Immobilienfirma, die auf Christa Schlecker läuft, hat noch immer Anton Schleckers ehemaliges Chefzimmer angemietet, zu dem noch heute der Aufzug fährt – mit noch immer eingebauter Vorrangschaltung, die sie direkt von der Tiefgarage ins alte Büro fährt.
Die Perspektive zehn Jahre nach Beginn der Business-Park-Geschichte gilt als durchaus gut, diesen Eindruck teilen auch Gemeinderäte, die damals dabei waren. Bankvorstand Jost Grimm nennt die Beteiligung der Donau-Iller-Bank „eine Mischung aus Investition mit erfolgreichem Ertragsziel und regionalem Engagement“, im Sinne der Standortentwicklung.
Baupreise spielen in die Karten
Die komplizierte Lage am Bau spielt Gaßner und seiner Vorstandskollegin Simone Bayer, die von Seiten der Stadt in der Führung der GmbH sitzt, in die Karten. Dem stimmt Gaßner ohne Umschweife zu. Denn wer jetzt Büroräume will, überlegt sich einen Neubau bei den aktuellen Baupreisen dreimal. Gaßner spricht, als würde er mit einem Unternehmer sprechen, der Büroräume bauen will: „Wenn ihr heute baut, dann werdet ihr nicht bauen unter 4000 Euro pro Quadratmeter.“ Wolle jemand dann vermieten und fünf Prozent Rendite erhalten, müsste er 16 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter verlangen, zitiert Gaßner korrekt die Situation am Markt. „Hier sind es 5,99 Euro.“ Rein von der Wirtschaftlichkeit her, sagt Gaßner, „sind wir brillant aufgestellt“.
Rund ein Sechstel der vermietbaren 18 000 Quadratmeter Bürofläche sind derzeit unvermietet, etwa 2700. Mit rund 1000 Quadratmeter ist jüngst ein neuer Großmieter hinzugekommen: die Ehinger Magdalena-Neff-Schule, eine Berufsschule für Soziale Dienste, die vom Landkreis getragen wird. 750 Quadratmeter, oder eine gesamte Etage in einem der vier Einzelgebäude, hat die Neff-Schule zum kommenden Schuljahr angemietet. „Die (Magdalena-Neff-Schule) haben durch die Schmiechtalschule gesehen, was das für eine Raumqualität ist“, sagt Gaßner. Die Schmiechtalschule hat etwa die doppelte Flächeangemietet.
„Nach wie vor – und das wird immer so sein – sind wir immer offen für jede Art der Büronutzung“, sagt Gaßner. Sein Traum ist noch immer, eine Pharma-Firma anzusiedeln, immerhin gibt es im Raum Laupheim und Biberach Branchengrößen wie BoehringerIngelheim und Rentschler. Aber hier ist bislang nichts in Sicht. Auf den alten, verfallenen Tennisplätzen am Westrand des großen Parkplatzes könnte ein Labor entstehen, hat Gaßner vor Jahren einmal gesagt. Da sollte ursprünglich ein „Boarding-House“ hin, also eine Art Hotel mit Schlafplätzen für Kongressteilnehmer.
Oder für Teilnehmer an Seminaren der Fresenius-Hochschule, die vor fünf Jahren Ehingen zur Hochschulstadt machen wollte. Doch aus dem „Bildungscampus Donau“ ist nichts geworden. Dem privatwirtschaftlichen Bildungsanbieter ist am Standort die Luft ausgegangen.
Sollte sich aber doch einmal ein Pharma-Unternehmen in Ehingen ansiedeln wollen und zum Beispiel ein Labor brauchen, ist es ein Vorteil, eine Bank im Kreuz zu haben, die mit 49 Prozent an der Business-Park-GmbH beteiligt ist. Man sieht: Auch fürs neue Business-Park-Jahrzehnt gibt es noch Ziele. Mit der ersten Dekade zeigen sich schon mal alle Beteiligten zufrieden.
Oettinger kommt zum Jubiläum
Michael Gaßner organisiert auch die Vortrags- und Diskussionsreihe „EhingerWirtschaftsforum“. Für den Dienstag, 16. April, hat er den früheren Ministerpräsidenten und EU-Kommissar Günther Oettinger gewonnen. Thema dessen Vortrags: „Deutschland – bald nur noch 2. Liga“. Konkret soll es laut Gaßner um den Verlust der deutschen Wettbewerbsfähigkeit gehen, um den „dramatischen Rückgang“ der Industrieproduktion, vorallem infolge der „zu hohen“ Energiepreise, Inflation oder Bürokratie. Nach Vortrag und Diskussion gibt es einen Stehempfang.
Beginn der Veranstaltung ist am Dienstag, 16. April, um 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, doch wird um Anmeldung gebeten.